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Memoir ist die Kunst, gut lesbar und inspirierend über das eigene Leben zu schreiben.Ein Memoir ist aber keine Autobiographie. Im Memoir werden ausgewählte Erfahrungen und Erkenntnisse  literarisch spannend aufbereitet.
So vielfältig wie das Leben selbst sind auch die Memoir-Subgenres: Reise, Trauerbewältigung, Coming of age/ Growing up dysfunctional, die Geschichte der eigenen Eltern/ Großeltern, Sucht & recovery, survival und auch sexual/erotic u.v.m…Mehr über das Genre Memoir findest du auch in Birgit Schreibers im März 2017 erscheinenden Buch „Schreiben zur Selbsthilfe„.

Sexual Memoir oder Porno?

In letzter Zeit habe ich mich mit Vergnügen in das Subgenre „Sexual Memoir“ eingelesen, das vor allem von Frauen bespielt wird. In Sexual Memoirs werden sexuelle Erfahrungen beschrieben, da geht es um um Körperlichkeit, Beziehungen, Scham, Sprachlosigkeit und Grenzüberschreitungen.Sexual Memoirs sind keine pornographischen Schriften und auch keine Aneinanderreihung sexueller Handlungen. Die Szenen können natürlich oft sehr explizit („graphic“) werden, es geht aber nicht darum, die LeserInnen zu erregen. In Sexual Memoirs wird immer auch die sexuelle Entwicklung Thema und die AutorInnen reflektieren so über ihre Sexualität, dass die LeserInnen inspiriert werden, über sich selbst nachzudenken. Warum mehr Frauen als Männer Sexual Memoirs verfassen, darüber spekuliert die Memoir-Autorin Monique Roffey.

Best Sexual Memoirs: eine Liste

Falls du vorhast, Sexual Memoirs zu lesen oder selbst eines zu schreiben, hier eine kleine (natürlich nicht vollständige) Liste mit Büchern zum Einlesen in das Genre, die dir sicher Lust machen, hier auf weitere Entdeckungsreisen zu gehen 🙂 Ich freue mich auch über Empfehlungen!

1) Daniell, Rosemary: Sleeping with soldiers. In search of the macho man. 1984

Die heute ca. 80jährige Feministin, Poetin, Schreibtrainerin und Memoir-Autorin Rosemary Daniell schreibt über ihre sexuell höchst abenteuerliche Phase, „a memoir of her exploration of the wildness within herself“ im teilweise sehr bizarr anmutenden wilden Süden Anfang der 80er über ihre „adventorous, promiscous, wild years in search of the macho man“ in ihren Vierzigern. Sie hat die Scham hinter sich gelassen und steht selbstbewusst dazu, eine Abenteurerin zu sein. Ihre Kinder sind schon erwachsen, und nach Jahren in monogamen Ehen will sie es wissen. Sie geht in Bars, um Männer aufzugabeln. Sie erlebt eine „delayed adolescence“ mit vielen jüngeren Männern. „The word promiscuity didn`t adequately cover what, for me, had been an incredible learning experience“, schreibt Rosemary Daniell.

2) Juska, Jane: A Round-Heeled Woman: My Late-Life Adventures in Sex and Romance. 2004/ auf Deutsch: Bevor ich 67 werde.

Das beeindruckende und literarisch gekonnt gestaltete Memoir einer jetzt 80jährigen Englischprofessorin, die Mitte 60 auf den Putz haut und eine Kontakt-Anzeige aufgibt, um endlich sexuelle Erfahrungen zu sammeln. „I am an easy lay“, schreibt sie stolz. Ihr Memoir hat mir sehr gut gefallen. Es hat Tiefe, Humor, zeugt von Erfahrung und sie kann fesselnd schreiben. Interessant aufgebaut – immer ein Kapitel über ein Date mit teilweise seltsamen älteren Männern und ein Kapitel, in dem sie chronologisch aus ihrem früheren Leben erzählt…

3) Handler, Chelsea: Mein Leben im Liegen. 2006

Eine Comedian mit jüdisch-mormonischem Hintergrund, die ziemlich bissig und teilweise böse-verächtlich über absurde oder peinliche sexuelle Begegnungen schreibt. Interssant: jedes Kapitel für einen Mann. Was mir nicht so gefallen hat: ich finde wenig roten Faden in diesem Aufmarsch an Männern, es liest sich wie ein Bestiarium. Kurzweilig.

4) Millet, Catherine: La vie sexuelle de Catherine M./ The Sexual Life of Catherine M. 2001/ auf Deutsch: Das sexuelle Leben der Catherine M.

Die Chefredakteurin der artpress beschreibt ihr promiskuitives sexuelles Leben mit hunderten Partnern, insbesondere ihr Verhältnis zu Gruppensex.  Ein Einblick in die französische Swingerszene, über deren „klinisch-distanzierten“ Stil sich die KritikerInnen ereiferten.

5) Lee, Abby: Girl with a one-track mind. Confessions of the seductress next door. 2006

6) Lee, Abby: Girl with a one-track mind. Exposed. 2010

Verfasst von der von Millionen gelesenen Sexbloggerin Zoe Margolies geben die Bücher intime und keine Frage offen lassende Einblicke in das Sexualleben einer Frau Anfang 30, die über einen starken Trieb verfügt. Sie hat just for fun Sex mit vielen Männern und beschreibt das teilweise ermüdend detailgetreu. Sie trennt klar Lust am Sex und Suche nach einer Beziehung und gibt auch Tipps und beschreibt do`s and don`ts für Sex ohne emotionales attachment. Erfrischend: wie sie ihr Masturbationsverhalten beschreibt. Spannend: Band 2, in dem sie beschreibt, was in ihrem Leben und in ihrem Sexleben passiert, als nach Erscheinen des ersten Buches ihr Pseudonym gelüftet wird… und nun jeder, auch ihre Eltern, alle intimen Details ihres Sexuallebens kennt.

7) Moran, Caitlin: How to be a woman. 2012/ Auch auf Deutsch (selber Titel).

Das Buch der Comedian wird als feministisches Manifest gepriesen, ihre Story Question ist: Wie werde ich eine richtige Frau? und sie handelt es zum Brüllen komisch an Körperlichkeiten und ihrer persönlichen körperlichen Geschichte ab. Themen wie Porno, Behaarung, Abtreibung, Kinderkriegen, Brüste…

8) Moran, Rachel. Paid for. 2015 Auf Deutsch: Was vom Menschen übrig bleibt: Die Wahrheit über Prostitution

Geschichten von Frauen, die sich prostituieren, sind vielgelesen. Oft sind es eher pornographische Geschichten, die als Lebensbericht verkauft werden. Dieses Memoir ist anders: es erzählt von Morans Kindheit und Jugend in einer dysfunktionalen Familie, von Obdachlosigkeit und dem vermeintlichen rettenden Strohhalm, den die Prostitution für sie als 15jährige darstellte. Die LeserInnen finden hier keine pornographischen Schilderungen von Sexszenen wie in manch anderem Erotic Memoir, sondern schonungslos ehrliche Reflexionen über eine Zeit, die für die Autorin nur schwer auszuhalten war.

Viel Spaß beim Lesen!

Autorin: Johanna Vedral
Collage: by Johanna Vedral
1 Kommentar
  1. bschreiberin sagte:

    Hat dies auf bremerschreibstudio rebloggt und kommentierte:
    Johanna Vedral schreibt in Ihrem neuen Blogbeitrag die spannendsten Seiten des neuen Genres Memoir: Es erlaubt uns, alle, wirklich alle Bereiche unseres Lebens, unserer Erfahrungen, unserer Werte zu betrachten, damit zu spielen, sie neu zu bewerten und – durch die neue Perspektive – wieder einen gewaltigen Schritt zu tun. Wenn andere dann auch noch beim Lesen gepackt werden, dazu lernen, sich amüsieren und auf neue Ideen für sich selbst kommen … Was gibt es Besseres? Lest selbst …

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