„Viele AutorInnen haben eine intensive Beziehung zum Gehen“, erzählt die „Spaziergeh-Schreiberin“ Judith Wolfsberger bei einem Interview im Gehen.  Sie plädiert in ihrem Essay „Ein Spaziergang für sich allein. Gehen und Schreiben nach Virginia Woolf“ für einen regelmäßigen Spaziergang für sich allein als Schreibstrategie, die in den Schreibfluss bringt: Der Kopf wird „leer und frei gegangen“, weil „die notwendige Distanz zum Erledigungsschreibtisch spaziert wurde“.

Kleine Schreibspaziergänge sind aber auch mitten im Alltag möglich. Ich sehe auf meinem Weg zur S-Bahn-Station eine Versammlung von etwa zwanzig lautschnäbelig diskutierenden Krähen. Die Baldachinspinnen sind schon fleißig dabei, Büsche und Hecken zu verzieren. Eine feuchtkalte Brise weht mich den Hügel hinunter, ich ziehe die Jacke enger um mich und gehe schneller. Ich freue mich schon auf die Schreibzeit in der S-Bahn, 20 Minuten, in denen ich skizziere, wie ich die Krähenversammlung in die heute geplante Szene meines Romans einbauen könnte.

Da ich früh genug von zuhause weg gegangen bin, steige ich zwei Stationen früher aus der U-Bahn und gönne mir einen kleinen Spaziergang entlang des Donaukanals. Am Wasser entlang zu gehen, hat seinen besonderen Reiz, bringt es doch meine Gedanken noch mehr ins Fließen als Gehen allein. Schön, dass da ab und zu eine Parkbank steht, da kann ich mich für ein paar Minuten hinsetzen und die frisch durcheinanderpurzelnden Gedanken in mein Notizbuch kritzeln. Ich notiere Ideen für einen Blogbeitrag und noch ein paar Fragen zur Krähen-Szene und freue mich auf die nächste kleine Schreibzeit (Lies hier den ganzen GEHtextet-Text)

Autorin: Johanna Vedral

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