Perfektionismus ist der Feind des Schreibens, da sind sich SchreiblehrerInnen und SchreibtrainerInnen einig. Perfektionismus und Prokrastination, die berüchtigte Aufschieberitis, gehen meist Hand in Hand.
In meinen Schreibseminaren sind die innere Kritiker, die personifizierten Perfektionisten der Schreibenden stets auch im Raum. Mit Freewriting und anderen Methoden des Creative Writing erlauben wir uns, dem allgegenwärtigen Genörgel unseres Perfektionismus durch schnelles Schreiben zu entkommen. Freewriting taugt auch dazu, die Argumente des inneren Kritikers, warum unsere Texte so schlecht sind, aufs Papier zu bringen und sie so zu erforschen. Es gibt Übungen, um den inneren Kritiker in die Wüste zu schicken, zumindest so lange, bis wir einen Rohtext, einen mehr oder weniger shitty first draft geschrieben haben. Denn fürs Überarbeiten ist der Perfektionist ja dann ganz brauchbar.
Anne Lamott schreibt „Perfectionism will ruin your writing“ und ermutigt dazu, shitty first drafts zu schreiben: „Go ahead and make big mistakes. Use up lots of paper. Messes are the artists`s true friend.“ Eine der schönsten Creative Writing-Übungen, um den inneren Imperfektionisten zu umarmen, möchte ich dir hier vorschlagen, bevor ich mich an mein Manuskript mache:
Stell den Wecker auf 10 oder 15 Minuten und erlaube dir, den schlechtesten Text aller Zeiten zu schreiben. Schwelge in Füllwörtern und allen „Don`ts“ des guten Schreibens – und hab Spaß dabei!
Wenn du dann noch weiter prokrastinieren möchtest und „The Art of Procrastination“ von John Perry schon gelesen hast, lies folgende Anleitungen zum Imperfektionismus:
Stephen Guise „How to be an imperfectionist“
Blake Powell „How to Embrace Imperfection as a Writer“
Ich wünsche dir viel Spaß für deinen nicht-perfekten Schreibtag!
Ohhh ja, den inneren Kriitker zu umarmen, das ist eine sehr feine Idee! Man wird ihn ja eh nie los… warum nicht also ihn freundlich auf die eigene Seite ziehen? Ich frag gleich mal meinen inneren Kritiker, ob er Bock auf einen shity draft hat. Aber eigentlich ist er für Experimente immer offen 🙂 Danke dir!