Jedes Mal, wenn Diana Köhle nach den standing ovations zum Tagebuch schreibenden Tagebuchslampublikum sagt: Wer seine Tagebücher vernichtet hat, kann sich wieder setzen, fühle ich mich schmerzhaft an mein erstes Tagebuch erinnert. Es war ein sogenannter Chefkalender, A5, in schwarzes Kunstleder gebunden, und es gab für jeden Tag des Jahres eine ganze Seite. Mein Stiefvater schenkte es mir 1975, zum 8. Geburtstag. Ich schrieb Erlebnisse und Geschichten hinein, für wen ich schwärmte, wie sehr mich meine Geschwister nervten, und ich illustrierte das Ganze wie ein Comics, mit hässlichen nackten Figuren, die fluchten und schimpften und sich gegenseitig ankackten.
Ich erinnere mich nicht mehr, wer von meinen Geschwistern da dran war und den anderen genüsslich daraus vorlas, wahrscheinlich war es meine Schwester, die gerade lesen lernte. Ich erinnere mich, dass ich mich entsetzlich entblößt fühlte und vor Scham am liebsten im Erdboden versunken wäre. Sicher habe ich die Missetäterin geschlagen, nachdem ich mir das entweihte Tagebuch wieder zurückgeholt hatte. Sehr genau erinnere ich mich an den anschließenden Akt der Tagebuchvernichtung: Ich riss alle Seiten aus dem Buch und zerschnitt sie akribisch in fingernagelgroße Schnipsel, die ich dann im Ofen verheizte.
Erst 5 Jahre später, als ich nicht mehr mit meinen jüngeren Geschwistern in eine Zimmer schlief, sondern bereits ein eigenes Zimmer hatte, begann ich wieder Tagebuch zu schreiben. Ich nutzte alte Vokabelhefte, später dann kaufte ich mir dafür Schulhefte und tarnte sie mit Covern wie „Latein-Vokabeln“ oder „Mathematik-Hausübungen“.
Seit 1980 schreibe ich regelmäßig durchgehend Tagebuch, höchstens mal ein oder zwei Tage zwischendurch nicht. Auf die Schulhefte folgten im Lauf der Zeit gebundene Notizbücher, von denen ich pro Jahr durchschnittlich 10 fülle. Seit 2022 lese ich ausgewählte Stellen aus den 1980er Tagebüchern bei Tagebuchslams vor. Gestern habe ich mit dem Tagebuch Nr 373 begonnen.
Bei den nächsten Tagebuchslams lese ich aus den Tagebüchern 10 und 11 vor:
30.1.2025 (Cinema Paradiso Baden)
18.3.2025 (Cinema Paradiso St. Pölten)
https://www.tagebuchslam.at/
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Mag. Johanna Vedral
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