Es gibt eine ganz gefinkelte Form der Prokrastination, der ich gerne in der mühsamen Endphase eines Buchprojektes verfalle: ich springe zu einem neuen Buchprojekt, wo ich mit Enthusiasmus neue faszinierende Ideen erforsche und Rohtexte schreibe… und das fast fertige Buch bleibt liegen. Der Funke der Begeisterung springt zum nächsten Buch, und es fällt mir immer schwerer, am alten Buch optimistisch dran zu bleiben und es weiter engagiert zu betreuen: ein aussagekräftiges Expose schreiben, Verlage anschreiben, Literaturagenturen kontaktieren und mich von einer immer länger werdenden Liste von Absagen nicht entmutigen zu lassen…
In dieser Phase sind Schreibfreundinnen Goldes wert, die an mein Buch glauben, Interesse daran bekunden, es zu lesen, Ideen beisteuern, welche hilfreichen Menschen ich noch kontaktieren könnte, damit sich was bewegt, welche Verlage interessant sein könnten… und wieder und wieder mit mir darüber sprechen, wie ich guten Mutes durch diese schwierige Phase kommen kann. Was besonders wichtig ist, wenn die vermeintlich kalmierten Ängste und Zweifel Kirtag feiern wie nie zuvor. Also: ran an die tapfere Reflexion! Überprüfe deine bereits erarbeiteten Angstmanagement-Techniken und Metakognitionen!
Was für ein Bild machst du dir von deinem kreativen Prozess? Könnte es sein, dass dich deine Metaphern für den kreativen Prozess in eine Sackgasse geführt haben, in der du nun eingebremst vor dich hin scharrst?
Für mich war lange Zeit das passendstes Bild für den kreativen Prozess die Beziehungs-Metapher: mein Buch als mein Liebespartner, dem ich libidinös verbunden bin. Wie es scheint, behindert mich aber in Phase 5 des Schreibprozesses die Beziehungs-Metapher. Im Gespräch mit einer Freundin stelle ich fest: Ein Buch ist kein Ehemann, von dem ich mich irgendwann trenne, cut, ihn hinter mir lasse, hoffentlich ohne Rosenkrieg. Auch wenn ein Buch so etwas wie ein Lebensabschnittbegleiter sein kann, sieht die Trennung anders aus. Es kommt eine Metapher für den Schreibprozess ins Spiel, die ich verworfen hatte: die Metapher von Zeugung, Schwangerschaft, Geburt… und dann ist das Baby da und ich liefere dieses schutzlose Wesen der Öffentlichkeit aus? Nein!
Aber wie wäre es, wenn ich mein Buch-Baby wie ein Kind sehe, das erwachsen wird? Und den Verlag als eine Wohnung, in der es sich wohlfühlt, sich weiter entwickeln darf? Keine Trennung, kein Abschied, kein Losschneiden. Ich werde weiterhin in Kontakt stehen mit meinem erwachsen gewordenem Buch, auch wenn es nicht mehr bei mir wohnt. Release heißt nicht, alles über Bord zu werfen, als wäre es unnötiger Ballast, sondern nur, dass es Zeit ist, loszulassen, Zeit, die nächste Etappe der Reise anzutreten.
Nach Phase 5 des Schreibprozesses ist das Ende der Reise mit deinem Buch noch lange nicht erreicht, wenn du einen Verlag gefunden hast. Denn nun gilt es, gute Vertragsbedingungen auszuhandeln, das Manuskript den Wünschen des Verlags entsprechend zu überarbeiten und dich weiterhin um Werbung für dein Buch zu bemühen, z.B. eine Website und Flyer für dein Buch erstellen… Hol dir so viel Unterstützung & Ermutigung, wie du brauchst!
Autorin: Johanna Vedral
Collagen: Johanna Vedral
Mach dir ein Bild von deinem kreativen Prozess: Collage Dream Writing, 14.-16.April 2017 in Wien/ rasch anmelden: ein Seminarplatz ist noch frei!
Die Metapher des Kindes, das erwachsen wird und „auszieht“ finde ich sehr gelungen!
Super hilfreich heute – und Serendipity pur (glückliche Fügung): Meine eigenen Metaphern brauchen gerade dringend eine Revision! Herzlichen Dank für Deine Inspiration aus Bremen!