Seit gut drei Jahren lasse ich mich in Memoir-Workshops und nun auch in der Schreib- und Feedbackgruppe „Memoir in Progress“ (MIP) auf autobiografisches Schreiben über meine Herkunftsfamilie ein.

Beim Memoir-Schreiben ist jede Phase spannend und herausfordernd: einen Fokus, eine Story Question, einen roten Faden zu finden, das Erinnern, das Reflektieren über den Prozess des Erinnerns, das Hineinschlüpfen in ein jüngeres Ich, das schreibende Verwandeln von Erinnerungen in Szenen, das Reflektieren der vergangenen Ereignisse aus heutiger Sicht, das Überarbeiten der Erinnerungstexte, um daraus auch für andere spannend zu lesende Szenen entstehen zu lassen, das Friendly Feedback von anderen Memoir-SchreiberInnen…

Ganz besonders spannend ist für mich, welche autobiografischen Themen sich mir quasi aufdrängen. So habe ich plötzlich, ungeplant, auf einer Zugfahrt, nachdem ich mich längere Zeit schreibend intensiv mit der Beziehung zu meiner Mutter auseinandergesetzt habe, begonnen, nun schreibend die offenen Fragen zwischen meinem Vater und mir zu erforschen. Bird by bird, Freewriting um Freewriting, ohne mir hier Druck zu machen, welche Form dieses zweite Memoir annehmen soll, habe ich begonnen, Erinnerungen und Reflexionen aufzuschreiben.

Ich beobachte meine Widerstände. Eigentlich ist in meinem Leben gar kein Raum für diese Auseinandersetzung mit meinem Vater. Eigentlich möchte ich mich diesem Schmerz nicht stellen. Aber plötzlich sitze ich an meinem Schreibtisch, ich habe ein A3-Blatt vor mir und meine Sanduhr und schreibe mit einem dicken lila Filzstift: „Ich will meinen Vater nicht anrufen. Ich will ihn nicht fragen…“ Und 10 gefühlsintensive Minuten später ist dieses Blatt auf beiden Seiten voll. Ich drehe die Sanduhr noch einmal um, wechsle zu einem rosa Filzstift und fülle das nächste Blatt…

Könnte das eine neue Methode sein, mich Themen zu stellen, über die ich gar nicht schreiben möchte? Je größer die Angst, desto größer das Blatt Papier, um mir hier Raum zu geben?

Hast du das auch schon ausprobiert?

 

1 Kommentar
  1. TINE sagte:

    Nein… ich habe es noch nicht probiert, aber es fühlt sich manchmal an, als gäbe es tatsächlich viel Papier zu beschreiben…
    Viel Befreiung wünsche ich dir 🙂

    Antworten

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