In meinen Workshops ermuntere ich gerne dazu, Collagen nur mit Bildern zu gestalten, ohne Worte. Es geht um die Erfahrung, ganz in das bildhafte Denken einzutauchen, denn sobald ein einziges Wort auf der Collage auftaucht, switchen wir in einen anderen Denk- und Assoziations-Modus – von der reinen Bildsprache zu den Worten … und schon beginnt sich Bedeutung um das Wort herum zu entfalten. Was auch spannend ist, aber ein anderer Prozess als der, den ich mit reinen Bildcollagen erlebbar machen will.
Mir geht es beim Collagieren ohne Worte darum, mich von meinem Visual Thinking überraschen zu lassen. Ich will beim Collagieren nichts ins Bild setzen, was ich schon weiß und in Worten formuliert habe. Ich möchte etwas mir bisher Unbekanntes, vielleicht noch Vorsprachliches, vielleicht noch Unbewusstes entdecken, wie beim Freewriting, ganz ohne Anspruch, Botschaften zu verkünden oder Kunst zu schaffen.

Seit März 2020 lese ich mehr Zeitungen und habe im Zuge dessen damit begonnen, Collage Poetry genauer zu erforschen. Collage Poetry, das heißt Found Poems mit aus Zeitungen ausgeschnittenen Wörtern, Phrasen und ganzen Überschriften, manchmal mit zusätzlichen Bildelementen oder rein mit Worten, ist eine Spielerei, bei der ich auch in den kreativen Flow kommen kann. Vor allem dann, wenn es mir gelingt, in eine Dada-Haltung einzutauchen, bei der ich das Konzept von Kunst in Frage stelle. Mit Collage Poetry will ich keine bedeutungsvolle Botschaft übermitteln, sondern mich überraschen lassen, wie die Worte durcheinanderpurzeln, sich neu zusammenfinden und mir vielleicht eine Geschichte über mich selbst erzählen.

Schon die Vorbereitung dafür tut gut und hilft, den Kopf frei zu bekommen: Ich schneide interessante Worte oder Phrasen aus den Zeitungen aus. Ein paar Artikel zerschnipsle ich noch nicht, denn die will ich lesen. Die Zeitungen landen in der Altpapierkiste, manche im Ofen, die ausgeschnittenen Wörter in Boxen. Derzeit habe ich fünf Boxen mit Wörtern: Phrasen, Verben, Hauptwörter, Eigenschaftswörter und sonstige Wörter.

Ich habe beobachtet, dass es sehr befreiend ist, sich nicht von den Überschriften becircen zu lassen und diese oft sehr plakativen (in manchen Zeitungen auch schreienden) Botschaften nicht zur Gänze in meine Collagen zu übernehmen. Ich zerlege die Sätze und Phrasen, ich dekonstruiere ihre Bedeutung und setze sie dann assoziativ völlig neu zusammen, so wie die Wörter zueinander wollen.

Die begrenzte Anzahl an Wörtern, die in Überschriften übliche Verdichtung auf Bilder und Konzepte, ist für Collage Poetry besonders reizvoll. Weitere spielerische Elemente sind die verschiedenen Schrifttypen, Schriftgrößen und Farben. Ich kann mit einer besonders kleinen Schere oder mit der Zackenschere schneiden oder Worte reißen, statt sie penibel (oder schlampig) auszuschneiden. Ich kann die Worte von links nach rechts, von oben nach unten, in Zeilen oder grafisch interessanter anordnen, als Bild. Ich kann die Worte nach ästhetischen Kriterien anordnen, mit dem Anspruch, Kunst zu schaffen oder schlampig, messy, wild hinpicken, just for fun, ohne künstlerischen Anspruch. Ich kann free poems kreieren oder mit Formen wie Akrostichon, ABCdarium, Haiku etc. spielen.

Alles ist erlaubt, wenn es die Funktion erfüllt, Knoten in meinem Kopf zu lösen und mich in einen kreativen Flow zu bringen.

Gemeinsam macht das Collagieren meist noch mehr Freude, weil wir uns gegenseitig inspirieren, reflektieren, resonieren und austauschen können.

Die nächsten Termine für viertägige Workshops, in denen du das Collage-Universum systematisch erforschen kannst, sind: 28. – 31. Jänner 2021 und als Web-Workshop 10./17. Feb. & 3./10.März 2021

 

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