Wie die Freiheit aussieht

„Was macht die Freiheit so wild?“, wollte meine Verlegerin Andrea Schiffer von mir wissen, als wir meinen Roman „Freiheit, du wildes Tier“ in der Galerie Sandpeck vorstellten.
Mein Buch erzählt eine Coming of age-Geschichte, in der die Suche nach Freiheit ein zentrales Thema ist. Als Jugendliche wollen wir frei sein – frei sein vom Mief des Elternhauses und der Tradition, frei von der Schule, frei von den gesellschaftlichen Moralvorstellungen. Wir wollen frei denken, frei leben, frei lieben … Gleichzeitig sollen wir als Heranwachsende aber lernen, reife Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen und das eigene Leben entsprechend eigener Werte zu gestalten. Wir bewegen uns im Spannungsfeld zwischen Abschied, Aufbruch und neuer Bindung, was nicht immer leicht ist.

Wie die Freiheit aussieht, ändert sich im Laufe des Lebens. Wenn wir noch jung sind, glauben wir, dass es reicht, sich von den Eltern, vom Heimatort zu lösen, aufzubrechen in ein neues Leben, um frei zu sein. Als Jugendliche wollen wir ein wildes Tier sein, kein Käfigtier oder Haustier oder gar ein Herdentier …

Freiheit ist für mich heute am frühen Morgen alleine am Berg sein, wenn die Bergziegen den steilen Hang hinunter stieben und wenn der Wind, der mich bei ausgesetzten Stellen, dem Himmel so nah, fast hinunter zu wehen droht und mir gleichzeitig Lust macht, die Flügel auszubreiten und wie der Adler hoch oben majestätisch zu schweben.

Frei sein heißt für mich, nicht zu wissen, wohin der Weg führt, frei sein, sich zu verirren und eigene Fehler machen zu dürfen. Freiheit kann kalt, einsam und sehr ausgesetzt sein. Grenzenlosigkeit und Freiheit gehen oft Hand in Hand. Die Ziegen am Berg können frei herumstreifen und nach saftigen Kräutern suchen, aber sie sind auch frei abzustürzen, mit dem Kopf in einem Zaun stecken zu bleiben, frei zu verhungern oder vom Lämmergeier gefressen zu werden …

Heute weiß ich, dass die Freiheit letztendlich eine Einstellung ist. Viele Hindernisse sind vor allem in meinem eigenen Kopf. Von Viktor Frankl und Edith Eger, die beide ihre Erfahrungen im Konzentrationslager transformiert haben, habe ich gelernt: Wenn mir Schlimmes widerfährt, habe ich immer noch die Freiheit, wie ich dazu stehe. Sehe ich mich als Opfer oder als Heldin? Ich bin frei, diese Entscheidung zu treffen.

Zum Weiterlesen:
Frankl, Viktor (2018). Trotzdem Ja zum Leben sagen. penguin.
Eger, Edith (2018). Ich bin hier und alles ist jetzt. Warum wir uns jederzeit für die Freiheit entscheiden können. btb Verlag.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 × 3 =