Gestern hat es nicht geregnet, also machte ich mich auf zu einem Diktier-Spaziergang. Ich gehe gerne nach dem Schreiben in größeren Parkanlagen spazieren. Nach zu vielen Stunden am Schreibtisch schreit mein Körper nach Bewegung.
Was für ein Genuss, wenn die Gedanken von der Luft erfrischt werden, wenn die Augen einen weiteren Horizont genießen dürfen und die Füße meine Gedanken vorantreiben dürfen. Oft gehe ich in forschem Schritt, um den vom Sitzen unterforderten Herz-Kreislauf zu aktivieren.
Und natürlich überschlagen sich beim flotten Gehen immer die übermütigen Gedanken, so dass ich mich zwischendurch mit dem Notizbuch auf eine Bank setzen und schnell alles aufschreiben muss. Jetzt im November ist es mir aber nicht mehr warm genug, um mich zum Schreiben hinzusetzen. Und es gibt auch nicht stets eine Bank, wenn da ein Gedanke aufs Papier will.
Was tun? Ich beschließe, einmal langsamer spazieren zu gehen. Ich ziehe mich warm genug an, um beim langsameren Gehen nicht zu frieren. Ich lasse mich darauf ein, dahin zu schreiten, auszuschreiten. Dabei gefällt es mir dann, meine Gedanken zu diktieren. Journalling im Gehen sozusagen. Der Strom meiner Gedanken wird mit der Speech-to-Text-Software eingefangen. Oder anders gesagt – statt Freewriting praktiziere ich zur Abwechslung free walking writing. Anders als das schnelle Freewriting mit der Hand funktioniert das free dictating langsamer. Ich muss deutlich sprechen, sonst versteht mich die Software nicht. Schlampige Aussprache kommt nicht gut an.
Wenn ich meine Gedanken frei assoziativ diktiere, kann ich mir beim lauten Denken zuhören. Beim langsam Gehen nehme ich auch meine Umgebung anders wahr. So entdecke ich auf meinen Spaziergängen durch den vertrauten Lieblingspark neue Details wie eine faszinierende Baumform oder eine ungeahnte Blüte. Statt Schritte zählen kann ich Wörter zählen. Ich möchte mindestens 1000 Worte lang spazieren & diktieren gehen.
Autorin: Johanna Vedral
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